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Filmdokument: Rechtsextremismus in Europa

Der mdr hat gestern einen sehr informativen Bericht ausgestrahlt:

Propaganda, Hass, Mord ...
Deutschland 2012
60 Minuten
Produzent: Frank Seidel Redaktion: Ulrich Brochhagen (MDR), in Zusammenarbeit mit ARTE
Regisseur: Rainer Fromm, Rolf-Axel Kriszun
Musik: Nikolai Tamás, Jean-Marie Gilles
Schnitt: Christoph Karsch
Buch: Rainer Fromm, Rolf-Axel Kriszun
 
Vor mehr als 40 Jahren begann es: Italienische Neofaschisten waren die ersten, die mörderische Anschläge verübten, um einen politischen Linksruck der jungen Republik zu verhindern und die Rückkehr zu einem autoritären Regime zu erzwingen.
 

Blutspur des neonazistischen Terrors
Das Jahr 1980 schließlich war ein Dammbruch. Es wurde das bis dahin blutigste Jahr des Rechtsterrorismus. Die rechtsradikale Szene schlug gewaltsam zu: Am 26. September explodierte auf dem Oktoberfest eine Bombe. Die Bilanz: 13 Tote, über 200 Schwerverletzte. Der Täter stammte aus der "Wehrsportgruppe Hoffmann", einer Schmiede von Rechtsterroristen. Ein Einzeltäter? Das behaupteten die bayerischen Behörden. Bis heute gibt es an dieser Vermutung Zweifel, Kritiker vermuten eine Verflechtung der "Wehrsportgruppe Hoffmann" mit den staatsterroristioschen Gladio Strukturen und damit verbunden die schützende Hand der Justiz aus Gründen der inneren Sicherheit. Diesen "übergeordneten Interessen" die offensichtlich über demokratisch gewählten Politikern und oberhalb des Rechtsystems schweben, verdanken die rechtsextremen Strukturen in Europa einiges an Rückenwind, finanziellen Mitteln, Logistik, Schutz und Waffen.
Am 19. Dezember 1980 wurden der Verleger und Rabbiner Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin kaltblütig erschossen. Lewin war Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Erlangen und hatte immer wieder vor der "Wehrsportgruppe Hoffmann" gewarnt. Der Mörder war ein Führungskader dieser Vereinigung. Es war der erste antisemitische Mord seit Kriegsende. Wenige Tage zuvor waren in Hamburg zwei Vietnamesen bei einem Brandanschlag umgekommen. Spuren - keine Beweise - führen zu Manfred Roeder, einem Terroristen und Ausschwitzleugner. Und als Heiligabend 1980 der Neonazi Frank Schubert Waffen schmuggeln wollte und sich nach einer Schießerei, bei der zwei Schweizer Beamte starben, selbst tötet, hatte die rechte Szene einen Märtyrer. Weitere rechtsextremistisch motivierte Morde folgten.

Schulterschluss der Neonazis

Auch in Frankreich und Belgien organisierten sich Neonazis und formierten sich Kampforganisationen gegen die parlamentarische Demokratie. Ihre paramilitärischen Gruppen unterhielten intensive Kontakte zu Wehrsportgruppen in der Bundesrepublik und in Italien.

Vereinigung von Neonazis aus Ost und West
Was im Westen weithin unbekannt war: Auch hinter der Mauer gab es gewaltbereite Rechtsradikale. Seit 1988 häuften sich in der DDR Gerichtsverfahren gegen junge Rechtsradikale, die es nach dem antifaschistischen Selbstverständnis der DDR-Führung gar nicht hätte geben dürfen. Mit der deutschen Einheit kam es auch zur Vereinigung von Neonazis aus Ost und West. Braune Führer aus dem Westen, wie Michael Kühnen, Christian Worch oder Friedhelm Busse, wurden zu "Brandbeschleunigern" im Osten. In Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Quedlinburg kam es zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen und die Terrorwelle erreichte schließlich auch den Westen. In Solingen und Mölln starben Menschen durch gewaltsame Aktionen Rechtsextremer.

Neue Strategie der rechtsradikalen Szene

Als Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland zahlreiche neonazistische Vereine verboten wurden, reagierte die rechtsradikale Szene mit einer neuen Strategie. Sie löste feste Strukturen auf und bildete lose Kameradschaften, ohne festen Ort, nur noch durch Internet und Handy verbunden, um spontan handeln zu können und eine Verfolgung zu erschweren. Und sie ließ bekannte Neonazi-Größen mit ans Ruder und verschärfte ihren demokratiefeindlichen Kurs. Die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden war inzwischen verstärkt auf die Gefahren des islamistischen Terrorismus gerichtet. Die Rechtsterroristen rüsteten unbeobachtet massiv auf und konnten ihre konspirativen Untergrund-Strukturen weiterentwickeln.

Das ist der Nährboden, auf dem Gruppierungen wie die sogenannten "Freien Kameradschaften" oder der Thüringer Heimatschutz entstehen. Hier beginnt die Mordserie der "Zwickauer Zelle". Die Dokumentation zeichnet die Geschichte rechtsextremer Gewalt seit den 1980er-Jahren in der Bundesrepublik, der DDR und dem vereinten Deutschland nach. Der Blick zurück schockiert, denn es wird offenbar, dass der rechte Terror von der Politik über Jahrzehnte hinweg unterschätzt wurde.
 
Sehr interessant auch die Informationen der tagesschau zum Thema:
http://www.tagesschau.de/inland/deutschezustaende100.html
 

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